Meine Weltreise ist vorbei. So etwas wie ein Alltag bahnt sich langsam aber sicher an. Seit meiner Ankunft vor einer Woche erledige ich wichtige Angelegenheiten und bereite mich auf die Zukunft vor. Schon bald werde ich sehr wahrscheinlich in Hamburg studieren und wieder eine Routine, Sicherheit, Beständigkeit und meine lieben Freunde um mich haben. Dinge, die mir auf meiner Reise oft schmerzlich gefehlt haben. Es war eine wahnsinnige Zeit, manchmal im positiven und manchmal im negativen Sinne. Unterm Strich war aber jeder Tag wertvoll, vielleicht besonders die Schwierigen, denn sie haben mich am meisten wachsen lassen. Ich bin jetzt ein anderer Mensch, und doch bin ich natürlich die Selbe. Es ist schwer zu erklären. Ich habe Dinge erlebt, die mein Selbstgefühl und mein Verständnis bzw. meine Sicht für Dinge verändert haben. Ich versuche, es irgendwie so zusammenzufassen:
In diesen Ländern war ich die Exotin. Ich verstehe zum ersten mal in seiner ganzen Tragweite, wie es sich anfühlt, selbst die Fremde in einem Land zu sein und sich anders als die Anderen zu fühlen. Auch wenn man freundlich behandelt wird, fühlt man sich doch anders und irgendwie unwohl, man wird immer interessiert oder skeptisch angesehen und man weiß, man wird nie so dazugehören. Hinzu kommt, dass man die Kultur nicht so gut kennt, die Umgebungen nicht kennt, nicht weiß, wie Dinge laufen und organisiert werden... alles muss man sich konstant neu aneignen. Das ist anstrengend und kann sehr verunsichernd sein. Man muss einer gewissen Grundangst standhalten, sich in diesem System nicht zurechtzufinden und nicht akzeptiert/ unterstützt zu werden. Jedenfalls war das bei mir immer so. Dadurch habe ich aber eine Toleranz gegenüber dieser beängstigenden Grundsituation entwickelt und Formen gefunden, meine Sicherheit in mir selbst zu finden. Wenn man in sich selbst gefestigt, mutig und selbstbewusst ist, machen einem verunsichernde Umstände von außen weniger Angst. Man erträgt es besser, die Fremde in der Fremde zu sein.
Ich habe mich mit der Zeit an die asiatischen Stadtbilder, Umgebungen, Geräusche, Gerüche usw. gewöhnt. Ich habe mich daran gewöhnt, tonnenweise Reis zu essen und Dinge zu tun, die von der Sicherheit (Straßenverkehr) und Gesundheit (Essen, Hygiene) hochgradig bedenklich waren. In einer Plastikkultur zu leben, fast überall die Preise zu verhandeln, die Verhaltensweisen der Einheimischen zu übernehmen. Ich habe mich daran gewöhnt, eiskate Duschen zu nehmen, auf steinharten Betten zu schlafen, permanent dreckig, schwitzig und ekelig zu sein. (...Ich konnte mich allerdings nie an die widerliche und minderwertige Qualität von ekelhaft labbrigem Toastbrot gewöhnen, das fast jeden Morgen mein Frühstück darstellte :P) Ich bin härter im Nehmen und mutiger in vielerlei Hinsicht geworden. Für die, die es noch nicht wissen: Ich hatte früher sehr große Angst vor Krankheiten und Bakterien. Das war verbunden mit einem ziemlich heftigen Waschzwang. Nun nach meiner Reise kann ich wohl sagen, dass ich vollständig davon geheilt bin. Auch wenn ich regelmäßig Magenprobleme hatte, so hatte es mich doch nicht mehr so verängstigt. Es wurde einfach zum Teil der Reise und ich habe gemerkt, dass mein Körper stark ist und mir eigentlich nichts was anhaben kann.
Ich habe mich an das Leben aus dem Rucksack gewöhnt, er ist mein Zuhause geworden. Ich habe es sehr genossen, wenige Dinge zu besitzen und somit weniger belastet zu sein. Materielle Dinge sind wie Fesseln, sie geben einem Verantwortung und machen einen unfrei... ich war schon immer eine Minimalistin. Es war herrlich, das auf Reisen so richtig ausleben zu können. Ich bin mit der Zeit auch weniger umständlich geworden, was das Packen und Ordnen meiner Sachen betrifft... mit anderen Worten, mein Zuhause war stets ein absolutes Chaos, alles lag immer wild verteilt an meinem Schlafplatz (also nur einem kleinen Fleckchen im Zimmer) rum. Auch das habe ich genossen, es hat sich für mich befreiend angefühlt.
Ich habe insgesamt mehr Selbstvertrauen gewonnen, und Vertrauen in den "Flow", dass alles irgendwie gut wird. Ich habe mich ja nur durchimprovisiert und wusste nicht, was in ein, zwei Wochen sein wird. Ich habe viel kurzfristig durch meine Reiseführer, aber auch viel durch Tipps von anderen Reisenden entschieden. Aber ob man letztlich an der nächsten Station glücklich ist, weiß man auch nie, weswegen das Vertrauen wichtig ist. Ich bin ja ein Mensch, der an selbst gewähltes Schicksal und göttliche Führung glaubt. Wie auf dem Jakobsweg, hatte ich auch in Südostasien das Gefühl, irgendwie immer genau an dem Ort zu sein und die Erfahrungen zu machen, die ich gerade brauche, um zu wachsen und mein Schicksal zu erfüllen (mich zu dem Menschen zu entwickeln, der ich werden soll)... was nicht immer leicht und angenehm war. Aber es war gut so, wie es war.
Ich bin positiver, offener und angstfreier geworden. Mit Herausforderungen kann ich jetzt besser und konstruktiver umgehen. Ich habe mehr Lebenslust und Lebensfreude gewonnen. Und ich will mehr sehen, noch viel mehr. Die Welt ist so ein spannender, schöner und bunter Ort und ich habe nur einen kleinen Teil davon, eine Facette gesehen. Ich will diese Welt noch besser verstehen und noch mehr lernen und wachsen. Deswegen wird bestimmt irgendwann wieder der Tag kommen, an dem ich zu meiner nächsten Weltreise aufbreche. Südamerika und Indien reizen mich. Für Jetzt bin ich froh, wieder einen festen Platz auf der Welt zu haben und nirgends hinzumüssen. Außerdem bin ich pleite :D Aber ich fange wieder an, zu sparen und irgendwann wird dann bestimmt wieder der Tag kommen, an dem die Welt mich ruft. Und dann werde ich wieder in diesen Blog schreiben.
Ich hoffe, ihr habt es genossen, meine letzten 10 Monate des Reisens zu verfolgen und danke euch für euer Interesse und dafür, dass Ihr euch die Zeit genommen habt. Zuletzt möchte ich noch eine Sache sagen... falls euch dieser Blog vielleicht inspiriert hat oder ihr schon immer, so wie ich, vom Reisen geträumt habt, dann lasst euch auf keinen Fall und von nichts auf der Welt davon abhalten. Auch wenig Geld ist kein Hindernis (Mehr Geld macht die Dinge nur komfortabler und einfacher, aber man kann auch mit extrem wenig auskommen, wenn man z. B. bereit ist, zu arbeiten). Verantwortungen kann man ablegen, Lebenspläne umgestalten. Man muss es nur wirklich, wirklich wollen und mutig sein. Das ist das allerwichtigste, was man zum Reisen braucht. Man muss bereit sein, Opfer zu bringen und seine Komfortzone zu verlassen. Das ist hart, und ich erinnere mich sehr gut, wie ich vor meiner Reise deswegen kurz vorm Nervenzusammenbruch war, doch das alles ist es 100% wert. Erfahrungen sind aus meiner Sicht wertvoller als materielle Sicherheit. Dinge kommen und verschwinden. Aber eure Erfahrungen kann euch keiner nehmen. In mir ist ein Ozean an wunderschöner, bunter, wertvoller Erfahrungen. Ich konnte bei weitem nicht alle in diesem Blog schildern. Ihr habt meist nur einen oberflächlichen Eindruck erhalten. Doch ich weiß, was ich erlebt habe und er gehört für immer mir. Ich würde es jedem Menschen auf dieser Welt wünschen, den Mut und die Willenskraft zu haben, seine Träume zu verwirklichen.