Es ist leider doch der Worst Case eingetreten: 3 Wochen nach meiner Verletzung am Zeh hat sich eine Infektion entwickelt. Ausgelöst wurde es dadurch, dass die Wunde vor einigen Tagen zum zweiten Mal geplatzt ist (langer Spaziergang + Schwitzen + leicht zu enger Verband). Irgendwann kapituliert das Immunsystem wohl einfach, wenn es ständig unter den ungünstigsten klimatischen Bedingungen die Wunde zu heilen versucht und es nicht klappt. Ich bin damit 2 Tage nachdem sie geplatzt ist zum Arzt gegangen, weil es nicht aufhörte wehzutun. Die medizinischen Standards in der nächstgelegenen Klinik sind mit den deutschen in keinster Weise zu vergleichen, aber mir blieb keine andere Wahl. Dort wurde mein Zeh kurzerhand ohne Betäubung komplett aufgeschnitten und viel Gewebe plus der Nagel entfernt. Ja. Immerhin ist das ganze ekelige schwarze Zeug jetzt weg. Was bleibt, ist ein einziges großes Loch an der Oberseite meines Zehs, sehr unschön anzusehen aber unter einem Verband fürs erste. Allgemein verlief die Mini-OP etwas unprofessionell: Die Arzthelferinnen hantierten etwas unbeholfen an meinem Zeh herum und quiekten und hüpften vor Ekel. Der Arzt (der nicht operierte, sondern nur zusah) war fasziniert und belustigt von der Aktion und wollte, dass ich hinsehe, wogegen ich mich geweigert habe. Das Ergebnis ist aber ok. Da ich in den kommenden Tagen zum Verbandswechsel wiederkommen muss, habe ich gerade praktisch eine Zwangspause an dem Ort, wo ich bin. Er heißt Mui Ne und besteht aus einem armen schäbigen Fischerdorf und einer einzigen langen Straße, die vom Dorf aus an der Küste entlangführt. An einer kleinen Nebenstraße dieser Straße wohne ich in einem nicht so tollen Hostel, dafür aber mit tollen Leuten. Hier gibt es viele kleine Restaurants und Läden, und mehr außer dieser Nebenstraße und der Klinik an der Hauptstraße habe ich auch gar nicht gesehen. Es ist nämlich so, dass es 90% des Tages regnet, mal stärker und mal schwächer, aber ich darf dann in jedem Fall nicht raus, weil mein Verband nicht nass werden darf (ein Schutz durch Plastiktüten um den Fuß wurde mehrfach erprobt und hat versagt). Ich habe mich bisher nicht getraut, bis an den Strand zu gehen, weil es jederzeit wieder zu regnen anfangen könnte und ich dann am Arsch wäre. Der Strand ist einfach zu weit von meinem Hostel weg (so 20 Minuten Gehen vielleicht) und mein Fuß würde auf dem Rückweg zu nass werden. Wenn der Himmel besser aussieht, werde ich aber einen Versuch wagen. Naja, und das ist jetzt meine Lage. Ich bin zutiefst unglücklich darüber, ich wünschte es würde wenigstens weniger regnen, aber sich zu beklagen hilft auch nicht. Ich muss das irgendwie aussitzen und das beste draus machen. Ich bin in den letzten Tagen viel in meinem Zimmer gewesen, in dem noch 9 weitere Leute schlafen; hier ist es dunkel (keine Fenster), eng, dreckig und chaotisch, aber die Leute sind wie gesagt nett. Ich habe eine gute Beziehung zu einer Neuseeländerin entwickelt, die nach einem Motorroller-Unfall übelste Verletzungen hat und 2 mal täglich in die Klinik muss. Sie hatte mir auch diese Klinik empfohlen, weswegen sich meine Bedenken wegen der medizinischen Standards gemindert haben. Ich hätte mich ohne sie vielleicht nicht reingetraut und abgewartet, bis ich in Ho-Chi-Minh-Stadt bin. Zwar sind die Standards in der Klinik wirklich nicht prima und es gibt harte Kommunikationsprobleme, aber der Zweck wird wohl erfüllt. Der Tabletten-Cocktail aus Antibiotika und anderen Pillen und Pulvern tun ihr Übriges. Ich gehe mit der Neuseeländerin jetzt zusammen hin, wenn ich auch behandelt werden muss. Bis gestern früh hatten wir noch 2 extrem liebe Engländer, ein Paar um die Ende 20, um uns herum. Wir 4 haben wirklich viel zusammen gemacht, haben gemeinsam gegessen und gechillt und es war wirklich schön. Die beiden reisen auf dem Motorroller durch Vietnam und konnten uns Krüppel auch zur Klinik fahren. Aber sie sind gestern früh halt leider abgefahren und ich hoffe, dass wir uns in Kambodscha wiedersehen. Uff, Kambodscha... ich habe jetzt große Sorge, dass mein Zeh sich dort wieder infiziert. Die hygienischen Bedingungen dort sind, wie in Laos, überaus schlecht soweit ich weiß. Und es scheint mir unmöglich, meinen Zeh dort immer fern von Dreck und dem schlechten Wasser zu halten. Ich werde ihn weiterhin oft desinfizieren müssen und dann das beste hoffen.
Bevor ich in Mui Ne war, war ich noch für 2 Tage in Nha Trang. Die Nachtfahrt dorthin war die reine Hölle, weil die Klimaanlage kaputt war und es dadurch extrem heiß und stickig im Bus war. Die Leute protestieren nach allen Kräften, doch es half nichts. Bei meiner Ankunft um 7 Uhr morgens war ich total fertig und es regnete. Ich mochte die Stadt von der ersten Sekunde an nicht. Dann ging wieder das übliche Ritual los: Zimmer suchen, Körperhygiene, Essen, tot umfallen. Ich wollte ursprünglich 4 Tage dort bleiben, aber habe den Ort so gehasst, dass ich schnell abgehauen bin. Eigentlich ist Nha Trang ein Urlauberparadies. Ein kleiner Ort, wie ich eigentlich dachte, war es definitiv nicht (habe mich schlecht informiert). Nha Trang ist eine laute, prunkvolle Großstadt, die vom Aussehen her eine skurrile Mischung aus Miami Beach und Klein-Russland ist. Nichts dort erinnerte mich noch an Vietnam, außer der Verkehr. Riesige Hotels schießen überall aus dem Boden, es gibt jede Menge westliche und überteuerte Restaurants, reiche Geschäfte säumen die Straßen. Und alles ist auf den russischen Tourismus eingestellt. Man findet überall, zu wirklich allem, russische Übersetzungen, Englische eher selten. Manchmal sind die Schilder und Speisekarten nur noch auf russisch, ohne vietnamesische Schrift. Überall laufen Russen herum, es gibt russische Ladenverkäufer und ich wurde oft auf russisch angesprochen. Ich habe Vietnamesen russisch sprechen gesehen. Das ist Klein-Russland. Absolut verrückt. Ich habe mich aber nicht deswegen so total fehl am Platz gefühlt, sondern wegen der ganzen Dekadenz (dadurch überall zu hohe Preise), den Menschenmengen, dem Lärm und allgemein dem ganzen "zu viel" in der Stadt. Auch der Strand war extrem unangenehm wegen den ganzen Menschen und weil er direkt an der lauten Straße liegt. Den ersten Tag habe ich überwiegend verplempert, weil ich so kaputt war. Bin etwas rumgelaufen, habe abends Freibier mit Menschen getrunken die nicht auf meiner Wellenlänge waren. Am zweiten Tag habe ich das Hostel gewechselt weil ich ein viel billigeres sogar mit Fenster gefunden habe. Dort habe ich eine sehr liebe Kanadierin kennengelernt, mit der ich dann eine Sehenswürdigkeit besucht habe. Das war das einzig schöne, was ich in der Stadt erlebt habe. Später trennten sich unsere Wege und ich erkundete die Stadt auf eigene Faust, und stellte dabei fest, dass ich dort wirklich nicht bleiben will. Dabei platzte meine Wunde am Zeh im Übrigen auch. Ich habe nicht alles, aber genug von der Stadt gesehen. Nach Mui Ne ging es am nächsten Morgen. Auch wenn ich hier noch kaum was erkundet habe (und es vielleicht auch nicht mehr werde), mag ich den Ort zu 100% lieber, weil er klein und ruhig ist. Es ist alles hier, was ich brauche. Ein Bett, Restaurants in der Nähe, die Klinik. Und ich mache irgendwie das beste aus der Zeit, wie gesagt. Gönne mir mal so richtig die Ruhe, die mir in den letzten Wochen so gefehlt hat. Keine Reizüberflutung, kein Touristenkram mehr. Nur noch schlafen, sitzen und essen. Ich finde es gar nicht so schwer auszuhalten bisweit. Ich fühle mich sicher hier und habe eher Angst, mich wieder in andere Gefilde zu begeben. Wegen der Anstrengung und den Schmerzen im Zeh, die das mit sich bringen wird, und weil ich dann nicht mehr zu "meiner" Klinik kann wenn was ist. Aber der Tag wird unvermeidlich kommen, an dem ich weiterziehe. Das nächste Ziel lautet Ho-Chi-Minh-Stadt. Und dann ist es nicht mehr weit hin, bis mein Visum für Vietnam ausläuft und ich nach Kambodscha fahre. Ich hoffe, es wird alles gut mit meinem Zeh. Wenn nicht, dann wird es halt irgendwie.
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