Ich war 5 Tage in Hanoi. Was für eine ultrakrass megaheftige Stadt. Eben bin ich in den Nachtbus nach Hue gestiegen und lege somit ordentlich Strecke zurück. Hue liegt schon in Zentralvietnam. Es war eine schwierige Entscheidung, alle anderen interessanten Orte im Norden zu überspringen. Aber sie zu sehen hätte mich zu viel Zeit, zu viel Geld und zu viele Nerven gekostet, um es kurzzufassen. Ich habe leider auch nicht so viel Zeit für Vietnam. Mein Visum konnte ich nämlich nicht verlängern, gerade lässt sich das aus Prinzip nicht in den Behörden organisieren und man kann es nur über eine Reiseagentur machen. So eine Agentur verlangt dann aber mal eben 140 Euro für 1 Monat Verlängerung. Und die Bearbeitungszeit beträgt 7 Werktage und ich hätte so lange in Hanoi warten müssen. Da sag ich doch nein danke. Was für eine beschissene Bürokratie. Meine Sorge hat sich also bestätigt. Aber das macht nichts, denn ich habe schon einen Plan B: Ich habe zum Schluss meiner Reise, wenn ich aus Kambodscha rauskomme, noch 2 Wochen in Thailand, bis mein Rückflug geht. In dieser Zeit wird mich mein bester Freund besuchen und wir machen zusammen Inselurlaub. Wir nehmen soger das gleiche Flugzeug zurück nach Deutschland. Ich muss sagen, dass ich mich unheimlich darüber freue. Das ist mir glaube ich sogar lieber, als länger in Vietnam zu sein. Denn es fehlt mir extrem, liebe und bekannte Gesichter um mich zu haben, die nicht nach ein-zwei Tagen wieder verschwinden. Wieder Vertrautheit, Geborgenheit und Unterstützung zu haben und nicht auf mich allein gestellt zu sein. Es ist alles gut so, wie es ist.
Nun zu meinen Eindrücken über Vietnam: Es scheint mir ein extrem strenges Land zu sein. Die Militärpräsenz in Hanoi ist enorm hoch. Vor vielen wichtigen Gebäuden stehen Soldaten, die sofort rufen oder mit Trillerpfeifen pfeifen (meist auch unter wildem Gestikulieren), sobald du einem dieser Gebäude zu nahe kommst. Dann musst du schnell irgendwo anders hin. Manchmal sind Linien auf dem Boden aufgemalt, die du auf keinen Fall übertreten darfst. Aber ich wusste nicht immer, dass die Linien Absperrungen sind. Pfeifen und Rufe sind die Quittung. Um in einen Park zu gelangen, in dem das Haus Ho Chi Minhs steht (dem Gründer des modernen Vietnams), musste ich durch eine Sicherheitskontrolle, wie an einem Flughafen. Ho Chi Minh wird extrem verehrt. Nur um seine Hinterlassenschaften zu bewachen, werden enorn viele Soldaten eingesetzt. Im Park machte ich den Fehler, dass ich erstmal zum Bereich vor dem Ausgang gegangen bin, weil ich tierischen Hunger hatte und es dort Snacks gab. Als ich zurück wollte, hat sich mir ein Soldat in den Weg gestellt und auf Gedeih und Verderb nicht erlaubt, zurückzugehen. Ich fuchtelte mit meimem Ticket herum und beteuerte, dass ich dafür bezahlt habe. Er ließ aber überhaupt nicht mit sich reden und wurde aggressiv. Da bin ich Leine gezogen. Ich fand aber vor dem Ausgang eine Gasse mit einem "durchgehen verboten"-Schild und gelangte dadurch wieder zum Eingangsbereich. Ich war aber so gestresst, erwischt zu werden, dass ich schnell wieder durch die gleiche Gasse rausging. Es ist nichts passiert. Aber echt schade, dass mir die Sache den Parkbesuch so versaut hat.
Die volle Strenge Vietnams habe ich aber an der Grenze erfahren. Wie unglaublich kritisch die bei den Passkontrollen sind, und natürlich das Militäraufgebot. Ich hatte einen sehr beschwerlichen Grenzübergang, denn beim Ausreiseschalter auf der laotischen Seite war ich die allerletzte, die von einer Masse von Menschen ihren Reisepass wiederbekommen hat. Danach musste ich feststellen, dass mein Bus einfach ohne mich abgefahren ist. Ich fand noch einen weiteren verlorenen Touristen und wir suchten gemeinsam nach dem Bus. Die Grenzbeamten wiesen uns wild gestikulierend den Weg eine Straße ins Nirgendwo hinunter. Wir sind da eine Weile langgegangen, kehrten aber schließlich zurück, weil da einfach nichts außer Schotter zu sehen war. Während ich total gestresst und aufgeregt war, war mein Begleiter völlig ruhig und entspannt, gähnte sogar ganz gelassen während er sagte "och joa, hier ist der Bus nicht". Wieder zurück am Ausreisepunkt wiesen uns die Grenzbeamten und Leute in vorbeifahrenden Fahrzeugen wieder in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Ich deutete dann völlig verzweifelt und angepisst auf meinen in Verband gewickelten Fuß, damit sich ein Bus erbarmt, uns mitzunehmen. Ich musste zu der Zeit noch humpeln und hatte richtig Schmerzen (mittlerweile ist das wieder ok, sieht nur echt schlimm aus). Einer der Busse nahm uns dann tatsächlich das recht weite Stück zum vietnamesischen Einreisepunkt mit. Es ging bestimmt einen bis zwei Kilometer Schlangenlinien-artig über die Schotterpiste im Nirgendwo. Wo der Bus uns rausschmiss, waren viele andere Busse, viele Menschen und viel Chaos. Als ich meinen Bus endlich fand, hieß es erstmal, alle Sachen müssen raus. Meinen Kleinkram von meinem Platz nahm ich also raus. Meinen Rucksack aus dem Gepäckraum fand ich im Dreck liegend irgendwo in der Nähe des Busses. Nachdem ich mir meinen Einreisestempel geholt habe, hieß es unter Gestikulieren, einfach weiter die Straße runtergehen. Keine Information, in welchen Bus wir als nächstes sollten. Es stellte sich heraus, dass alle in haargenau den selben Bus zurück mussten. Also, alles wieder einladen, was vorhin ausgeladen wurde. Der Sinn erschließt sich mir auch bei längerem Überlegen nicht. Ich finde es einfach verrückt. Auch dass es den Busfahrern sowas von scheißegal war, dass sie uns zurückgelassen haben. Da herrschte aber auch einfach keine Grundlage zur Kommunikation. Ich war zum Schluss einfach mega geschafft und erleichtert, als die Fahrt endlich weiterging.
Vietnam ist auch aus anderen Gesichtspunkten kein einfaches Land zum bereisen. Englische Übersetzungen sind extrem selten zu finden und die Leute sprechen in 95% der Fälle kein Englisch, in den restlichen Fällen nur gebrochen. Die Verständigung ist stark eingeschränkt. Ich kaufe häufig kein Essen auf den Straßen, weil ich nicht in Erfahrung bringen kann, ob es vegetarisch ist. So war ich jeden Tag im selben Straßenrestaurant, wo es englische Übersetzungen und keine überteuerten Touristenpreise gab. Nächster schwieriger Aspekt an dem Land ist nämlich, dass die Leute an allen Ecken und Enden versuchen, dich um dein Geld zu bescheißen. Es gibt Vietnamesen-Preise und Touristen-Preise. Häufig finden sich keine Preisschilder, sodass Preise für alles völlig willkürlich gesetzt werden können. Da muss man auf der Hut sein und erstmal die Zehn-Tausender-Beträge im Kopf in Euro umrechnen. 1 Euro sind 25300 Dong. Es ist schwer, sich daran zu gewöhnen. Für die Vietnamesen bin ich sowas wie ein wandelnder Geldautomat. Auch auf der Straße riefen mich alle paar Meter Leute an oder stellten sich neben mich/ mir in den Weg und wollten mir irgendwas verkaufen. Teilweise wirklich aufdringlich und dreist. Und viele Leute in Besitz eines Motorrollers, die an den Straßen herumlungern, sehen sich als lizensierte Fahrer und wollten mich mitnehmen. Das darf dort anscheinend jeder machen. Ich habe mich nicht ein einziges mal mitnehmen lassen, aus der beinahen Gewissheit dass ich dabei abgezogen werde. Und es gibt noch die andere Seite der Medaille: Solange die Leute dein Geld wollen, sind sie übermäßig freundlich und strahlen dich über beide Ohren an. Aber wenn sie dein Geld nicht wollen, sind sie außergewöhnlich unfreundlich und herablassend gegenüberTouristen. In den Reisebussen durch Vietnam (und das erlebe ich gerade schon zum zweiten Mal) gibt es eine Art Rassentrennung. Alle Vietnamesen sitzen vorne, alle Touristen so weit wie möglich hinten bei der stinkenden Toilette, auch wenn es weiter vorne noch Plätze gibt. Da gibt es keine Diskussion. Die Busfahrer hassen dich. Ich möchte aber auf keinen Fall behaupten, dass alle Vietnamesen so drauf sind. Es gibt sicher auch welche, die Touristen nicht ausbeuten wollen und nicht verachten. Nur habe ich bisher eher wenige dieser Sorte getroffen.
Konkret zu Hanoi ist mein allgemeiner Eindruck, dass die Atmosphäre wie der Effekt ist, wenn man 1000 Minzdrops in 1000 Colas reinwirft. Die Stadt ist permanent am übersprudeln und es hört nie auf. Die Straßen sind sowas von voll, chaotisch und überfordernd und es erfordert viel Mut, Geduld und Gebete, um durchzukommen. Verkehrsregeln kennen die Vietnamesen nicht. Es gilt allein das Recht des Stärkeren und wer die lauteste Hupe und die meisten Eier in der Hose hat, setzt sich durch. Die Fahrzeuge verlangsamen sich nie, sondern hupen alle in einer Tour um ihre Anwesenheit kundzutun und fügen sich organisch in einem ewigen Strom aneinander. Auf den Kreuzungen fahren die Fahrzeuge von allen Seiten ineinander und schlängeln sich beeindruckend gekonnt aneinander vorbei. Um hier zu fahren, braucht es eine Menge Erfahrung. Man muss Teil des riesigen organischen Monstrums werden, das den Straßenverkehr bildet. Ich bin in Hanoi sehr viel zu Fuß unterwegs gewesen und es hat mich absolut fertig gemacht. Ampeln existieren zwar, werden aber oft missachtet. Bürgersteige existieren zwar, sind aber in 75 % der Fälle zugeparkt oder mit Waren vollgestellt. Die effizienteste Methode zum Überqueren der Straße ist (so wurde es mir gesagt und es stimmt ), ist, entgegen des Instiktes zu rennen, langsam und unbehelligt voranzuschreiten. So können dich die Fahrzeuge schon früh erkennen und sich an dich anpassen, also knapp an dir vorbeirasen. Das ist völlig verrückt. Aber ich habe viele Vietnamesen gesehen, die auf diese Weise anscheinend seelenruhig über die Straßen gelaufen sind.
Es mussten also hohe Opfer gebracht werden, um die Stadt zu erkunden. Sie waren es aber zu 100% wert. Trotz all des Chaos und des "zu viel, zu heftig " an allem habe ich die Stadt sehr gemocht und mich dort wohl gefühlt. Hanoi hat einen ganz eigenen, sehr sehr asiatischen Charme und viele schöne Grünanlagen. Buddhistische Tempel habe ich hier nicht gesehen, dafür aber viele chinesische Tempel und einige Kirchen. Mein wohl schönstes Erlebnis in Hanoi war, dass ich an einem Gottesdienst in der Kathedrale im Herzen der Stadt teilgenommen habe. Die ersten 30 Minuten gab es einen Tanz von einer großen Gruppe von jungen Frauen und Mädchen zu wunderschöner Chormusik. Das hat mich total berührt, wohl auch die leicht vertraute Atmosphäre und ich habe fast geweint. Die Kathedrale war übrigens rappelvoll mit Vietnamesen und ich war vielleicht die einzige Touristin. Den restlichen Gottesdienst gab es 1 Stunde lang eine Predigt auf vietnamesisch, wovon ich natürlich nichts verstand. In Hanoi habe ich auch Susan, meine Freundin aus Vang Vieng 2 mal wiedergetroffen. Sie war zufällig auch in der Stadt, aber ist heute in Richtung Norden weitergefahren, während ich in den Süden fahre.
Ich habe so unglaublich vieles in Hanoi gesehen und könnte jetzt alles einzeln aufzählen. Aber ich lasse stattdessen meine Fotos sprechen. Dann wisst ihr Bescheid und so :)
Fotos:
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