Meine Reise nach Santiago hat begonnen. Bei der Ankunft letzten Mittwoch in Saint-jean-pied-de-port war ich sehr kaputt, also habe ich beschlossen, den Tag über dort zu bleiben. Ich habe mich anfangs sehr verloren gefühlt und musste darauf warten, dass die Pilgerherberge um 14 Uhr öffnet. Ich wurde aber dann um 12 von einer sehr freundlichen Frau aus dem Pilgerbüro aufgegabelt und durfte die restlichen 2 Stunden im Hinterzimmerchen des Büros schlafen. Als ich aufgewacht bin, habe ich dann sogar noch ein sehr einfaches warmes Essen für umsonst bekommen. Das fand ich unglaublich nett. Dann bin ich in die Pilgerherberge gezogen und den restlichen Tag ist nichts besonderes passiert. Ich habe nur noch etwas Sightseeing betrieben.
Am Donnerstag ging es dann richtig los, das Ziel war das 25 km entfernte Roncesvalles. Zwar habe ich öfter den Rat bekommen und gelesen, am Anfang nicht mehr als 10 km zu machen, dies war aber leider nicht möglich, weil die Pilgerherbergen auf dem Weg saisonal bedingt zu hatten. Also musste ich die gesamte Strecke angehen, und die hatte es in sich: Sie ging die ganze Zeit steil bergauf durch offene Landschaften und zum Schluss steil berab durch einen steinigen Wald. Zu allem Überfluss hat es auch noch die ganze Zeit genieselt und es wurde immer nebliger, je höher man kam. Die Strecke war sehr anstrengend und ich dachte oft "Sind wir schon da?". Nach 8 km, für die ich eine Ewigkeit gebraucht habe, habe ich resigniert und bin ca. 9 km per Anhalter gefahren. Das war gut so, denn sonst wäre ich erst abends in der Dunkelheit angekommen (im Wald nicht sehr optimal). Ich wurde bei einem Feldweg hoch oben auf einem Berg rausgelassen, da die Straße sich da vom Jakobsweg trennte. Ein gnadenloser kalter Wolkensturm fegte über das Land - und ich musste da durch! Das war übel. Aber lasse ich mir von sowas die Laune verderben? Nö. (An dem Punkt habe ich auch mein Facebook-Profilfoto geschossen.) Auf dem Berggipfel gab es eine winzige Hütte, in der ich andere Pilger traf und eine Rast einlegte. Ich aß Dosenravioli, unterhielt mich mit den anderen und der Wind heulte so laut durch die Hütte, dass ich Angst hatte, rauszugehen. Unvergesslich! Später beim steinigen Bergab-Weg hat mein linkes Knie sich verabschiedet - es war ihm zu viel. Seitdem macht es mir große Probleme. Ich bin todesfertig irgendwann nachmittags in Roncesvalles angekommen und habe in einer riesigen Pilgerherberge geschlafen.
Am nächsten Tag lautete das Ziel: 20 km nach Zubiri! Das war ein verrückter Tag. Zuerst bin ich sehr zuversichtlich gestartet - der Berg war überwunden und das Wetter war herrlich. Aber nach 5 km kam mir Steve aus den USA entgegen (ich hatte ihn voher kurz kennengelernt) und meinte, der Feldweg weiter vorne sei absolut durch einen Zaun gesperrt. Eine arme hinkende Chinesin folgte ihm. Ich fand uns dann auf meinem Smartphone eine alternative Route (danke, GPS und Offline-Karten!) und wir liefen zurück ins letzte Dorf. Dort sagten die Dorfbewohner uns aber, wir sollten lieber umkehren, also kehrten wir um, in der Hoffnung, doch noch einen Durchgang zu finden. Und siehe da, der Weg war nicht gesperrt, man musste lediglich das ZAUNTOR passieren! Oh Steve. Durch dieses Debakel sind wir rund 3 km mehr gelaufen und im nächsten Dorf (Espinal) tat mein linkes Knie schon sehr weh, ich wollte es aber aus Prinzip noch etwas weiter schaffen (Fehler) und den Rest der Strecke wieder per Anhalter fahren. Steve ist in Espinal geblieben. Die Chnesin ist uns schon im letzten Dorf abhanden gekommen. Der Weg ab Espinal war leider eine Qual; ich habe die Kapazitäten meines Knies überschätzt. Nach 5 km im nächsten Dorf wollte ich dann per Anhalter nach Zubiri fahren - und es hielt keine Sau an! Mittlerweile war ich frustriert von den Schmerzen und dann zunehmend verzweifelt, weil es in dem Dorf keine Pilgerherberge gab. Nach etwa einer Stunde des Daumen-Hochhaltens ist dann aber doch ein kleiner Truck für mich stehen geblieben. Darin waren 2 sehr gut gelaunte Lateinamerikaner, die eine Art kleine Party in dem Truck hatten. Es lief laute lateinamerikanische Musik und der Fahrer klatschte ab und zu im Takt in die Hände - während wir sehr schnell eine sehr gewundene Straße bergab fuhren. Ich wurde im Auto förmlich hin- und hergeschleudert. Aber ich war sooo glücklich und erleichtert! Sie setzten mich in Zubiri direkt vor der Pilgerherberge ab. Ich hatte großen Hunger und kaum, dass ich raus aus dem Truck war, fingen mich 2 Italiener ab und luden mich ohne Umschweife zum Essen ein. Wir aßen dann abends zusammen mit allen anderen Besuchern der Herberge (es waren ca. 8) superleckere Pasta, die einer der Italiener gekocht hatte. Das war einfach großartig!
Heute morgen wollte ich eigentlich ca. 10 km laufen, aber die Schmerzen in meinem Knie waren so groß, dass ich beschlossen habe, den Bus nach Pamplona zu nehmen. Aber ich fand mich nicht zurecht und ein sehr freundliches Ehepaar in einem Auto ist für mich angehalten. Sie haben mich wohl verloren durch Zubiri hinken sehen und Mitleid bekommen. Sie haben mich dann direkt vor die Herberge in Pamplona gefahren. Traumhaft! Seidem lungere ich in der Herberge herum. Ich muss dringend meine Schmerzen auskurieren und vielleicht bleibe ich auch morgen den ganzen Tag. Das finde ich richtig doof, auch dass ich so viel auf das Trampen angewiesen war und bisher nicht "richtig" pilgern konnte. Aber es geht nunmal nicht anders. Ich versuche, positiv zu denken und das beste aus der Situation zu machen. Und es heißt, dass der Anfang des Jakobsweges immer so schwierig ist und alles mit der Zeit einfacher wird. Darauf hoffe ich jetzt!
Wer sich jetzt Sorgen macht und wegen mir die Haare rauft, den muss ich beruhigen: Leute, ich schaff das! Ich habe ein ganz starkes Gefühl, von etwas getragen zu werden, was als "Gott" bezeichnet wird. Ich werde meinen Glauben hier nicht weiter ausführen, aber er hilft mir viel! Also, alles wird gut!
Fotos:
1-2: Saint-jean-pied-de-port
3-5: Der Weg nach Roncesvalles
6: Der Grenzpunkt nach Spanien
7-8: Der Weg nach Zubiri
9: Espinal
10: Essen mit den Pilgern in Zubiri
Machste dir diese bandagen-röhre ums knie, die ich dir gegeben hab. Sobald dein knie sich eingekriegt hat, isses sicherlich clever es zusätzlich zu stützen, damit das nicht so schnell wieder passiert. :)
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