Es läuft! Wortwitz... haha. Nach längerer Abstinenz habe jetzt ich endlich mal wieder die Möglichkeit und die Kraft, etwas in den Blog zu schreiben und euch im Allgemeinen zu sagen, dass es mir gut geht und ich irgendwie vorankomme. Aber ich fasse mich in diesem Eintrag möglichst kurz, weil ich extrem viel erlebe und schon jetzt einen Roman damit füllen könnte. Also kommen hier meine wichtigsten Erlebnisse der letzten Tage:
Letzten Mittwoch bin ich von Puente la Reina bis nach Lorca gelaufen. In der Herberge habe ich eine sehr nette Bekanntschaft mit einem Deutschen gemacht, der damit Spenden sammelt, dass er täglich unglaublich viel läuft und seine Fortschritte im Internet veröffentlicht. Er heißt Andreas und ist Mitte 40 und wir haben uns sehr gut verstanden. Am nächsten Tag wollte ich von Lorca den Bus nehmen und 40 km überspringen, um wieder etwas in meiner ursprünglich geplanten Zeit zu sein und doch noch zu Fuß nach Finisterre laufen zu können. Da wusste ich aber noch nicht, dass es nicht zwangsläufig Bushaltestellen auf beiden Straßenseiten gibt (ich stand dann auf der falschen Straßenseite) und man für spanische Busse winken muss und so raste der Bus an mir vorbei. Etwas angepisst lief ich dann 18 km (mein Rekord bis dahin) nach Villamayor de Monjardin. Aber letztlich war es gut so, denn in der Herberge dort war es sehr schön! Es war eine kirchliche Herberge und die Hospitaleros waren sehr warmherzig und fürsorglich. Abends aßen wir gemeinsam mit 2 anderen Pilgern und meditierten anschließend. Am nächsten Morgen wollte ich dann einen erneuten Versuch starten, einen Bus zu nehmen und einer der Hospitaleros (ein alter, unglaublich gutherziger Mann namens George) begleitete mich zur Haltestelle, die eine halbe Stunde Fußweg entfernt war. Und diesmal schaffte ich es in den Bus! Ich fuhr dann 40 km nach Logroño und war dort angekommen erstmal geplättet. Es ist eine recht große und nicht sonderlich schöne Stadt. Ich wollte von dort aus weiterlaufen, aber erst einmal musste ich ein Sportgeschäft finden, um mir eine spezielle Medizin für die Muskeln zu holen, die mir ein Profisportler empfohlen hat. Das und die Tatsache, dass ich den Jakobsweg in der Stadt wiederfinden musste und etwas herumgeirrt bin, hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Wieder einmal danke ich meinem Smartphone und dem GPS, ohne welches ich aufgeschmissen wäre. Schließlich bin ich von Logroño ca. 12 km nach Navarette gelaufen. Dort habe ich Andreas wiedergetroffen, der den Weg in Windeseile zu Fuß zurückgelegt hat und wir hatten wieder recht tiefsinnige Gespräche. Es war schön, ihn wiederzusehen. Aber noch einmal überhole ich ihn wahrscheinlich nicht mehr. Am nächsten Tag ging es dann von Navarette nach Azofra und ich habe 22 km geschafft. Meine Hoffnung, dass meine Knieschmerzen mit der Zeit abnehmen und ich immer mehr laufen kann, ist in Erfüllung gegangen! In Azofra hatte ich meine bisweit beeindruckendste Begegnung mit einer alten Frau namens Margret. Wir teilten ein Zweierzimmer miteinander und haben seeehr viel geredet. Margret kommt ursprünglich aus Manhattan und lebt jetzt in Frankreich. Sie hatte sehr großen Erfolg im Leben als Architektin und Mitarbeiterin der UNESCO. Sie läuft den Jakobsweg schon zum 11. Mal (einmal im Jahr, seit sie in Rente ist) und ist mittlerweile eine absolute Jakobsweg-Expertin. Sie hat mit ihren 3 Internet-Blogs über den Jakobsweg recht große Bekanntheit erlangt und wird auch "Miss Path" genannt. Margret hat mir sehr viele Geschichten aus ihren Jakobswegen erzählt und auch viele Tipps gegeben. Sie riet mir auch, die nächste Etappe mit dem Bus zu überspringen, weil diese sehr schwierig und schlecht für Leute mit Knieproblemen sein soll. Also hörte ich auf "Miss Path" und am nächsten Tag nahmen wir gemeinsam den Bus bis nach Santo Domingo de la Calzada. Sie ist nämlich extrem gebrechlich und kann sich nicht mehr viel zumuten. Dennoch will sie es noch einmal nach Santiago schaffen, was ich nochmals sehr beeindruckend an ihr finde. Ich werde mich nie wieder über meine Knie beschweren, nachdem ich gesehen habe, wie schwer sie es beim Laufen hat. In Santo Domingo d. l. C. angekommen ist dann noch etwas eher Unerfreuliches passiert: Ich habe zuerst Margrets Sachen aus dem Kofferraum des Busses rausgeholt und danach meine. Gerade in dem Moment, als ich nach meinem Rucksack greifen wollte, hat der liebe Busfahrer die Klappe des Kofferraumes heruntergefahren und sie traf mich volle Elle an der Stirn. Es tat sehr weh und zeitweise war mir an dem Tag schwindelig und schlecht. Aber am nächsten Tag war alles weg und ich hatte nicht einmal eine Beule. Ich muss einen phänomenalen Schutzengel haben. Margret und ich haben nach diesem Ereignis noch einen Kaffee zusammen getrunken, während ich mir die Stirn mit einem Eiswürfel kühlte. Danach zog ich weiter, während sie in der Stadt blieb. Vorher nahm ich aber noch an der Messe in der Kathedrale teil, die recht berühmt dafür ist, dass Hühner in ihr gehalten werden (sicherlich ist dem einen oder anderen die Legende vom Hahn von Santo Domingo ein Begriff). An diesem Tag lief ich nur etwa 6 km nach Grañon und schlief in einer kirchlichen Herberge. Der Schlafplatz war auf einer Matte auf dem Boden im Dachstuhl einer Kirche. Die Gesellschaft dort war wieder großartig und es wurde gemeinsam gegessen und anschließend eine kleine Andacht in der Kirche gehalten. Von Grañon ging es gestern nach Tosantos, wieder in eine kirchliche Herberge mit ähnlichem Schlafplatz und menschlich warmer Atmosphäre. (Ich bevorzuge es allgemein, in kirchlichen Herbergen zu schlafen, weil dort noch echte Nächstenliebe praktiziert wird und es nicht um Profit geht, wie man in es in anderen Arten von Herbergen deutlich spüren kann. Und kirchliche Herbergen sind meist die Billigsten. Dafür sind sie auch etwas einfacher, aber das macht mir nichts aus.) Es war ein anstrengender Tag, weil es regnerisch und windig und kalt war und ich etwa 20 km gelaufen bin. Davor hatte ich großes Glück mit dem Wetter; es war einfach herrlich und ich habe das Laufen sehr genossen. Und die Landschaften waren so atemberaubend, dass ich manchmal mit geöffneter Kinnlade umherlief und mich nicht sattsehen konnte. Seit gestern ist alles anders, denn ich bin jetzt in den Kastillen. Das ist eine Region Spaniens, die fast nur aus sehr weiten, offenen und eher monotonen Landschaften in matschigen Brauntönen besteht. Gepaart mit dem Wetter, das heute noch etwas ätzender war, als gestern, ist das Wandern nicht mehr so ein Hochgenuss, aber ich schreite mutig voran. Heute lief ich gezwungenermaßen 24 km von Tosantos nach Agès, weil die Pilgerherbergen davor saisonbedingt zu hatten. Es regnete den ganzen Tag und ich war völlig durchnässt. Ich glaube, das war das körperlich Anstrengendste, was ich je gemacht habe. Ich bin 9 Stunden gelaufen mit wenig Pausen. Und ich bin am Leben und meinen Knien gehts gut! Darüber freue ich mich wirklich sehr, dass meine Knie mittlerweile alles mitmachen. Ich hoffe, ab morgen wird das Wetter etwas besser und wenn möglich, will ich nicht zu viel laufen. Aber mal sehen.
Soo das war jetzt möglichst knapp alles. Ich habe nicht sonderlich viel Zeit oder Kraft, mehr zu schreiben, dabei könnte ich noch viel mehr schreiben. Aber einiges kann ich sicher noch im Nachhinein ergänzen oder euch persönlich erzählen, wenn ich wieder in Deutschland bin ;)
Fotos:
1-2. Landschaften unterwegs
3: Es gibt ihn wirklich: Den Weinbrunnen, der unendlich viel Wein für Pilger spendet
4: Villamayor de Monjardin
5-10: Noch mehr Landschaften
11-12: Unterwegs in den Kastillen (man merke den harten Umbruch)
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