Sonntag, 5. Juni 2016

Ho-Chi-Minh-Stadt: Englisch-Lehrerei

Seit sehr langer Zeit habe ich meine Reise wieder wirklich genossen. Das liegt daran, dass ich kurzfristig in Ho-Chi-Minh-Stadt einen Job als Englisch-Lehrerin bekommen habe. Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben, dass ich in Vietnam noch arbeiten kann, doch es hat geklappt. Ich bin letzten Sonntag in der Stadt angekommen und fahre heute nach Kambodscha, war also eine lang Woche hier. Ich musste hier 4 Stunden am Tag arbeiten, genauer gesagt zwei 2-stündige Unterrichtseinheiten machen, manchmal mit Pause zwischen den Einheiten und manchmal am Stück. 2 Tage hatte ich frei. Dafür gabs Unterkunft und 2 Mahlzeiten am Tag umsonst.
Der Job war wahrlich eine Herausforderung, denn man bekommt maximal 5 Minuten Zeit, um sich auf eine 2-stündige Unterrichtseinheit vorzubereiten. Man bekommt einen kleinen Stapel Zettel mit mehr oder weniger (meist weniger) klaren Anweisungen, was gelehrt werden muss und füllt viel mit Improvisation aus. Die Leiterin der Schule gibt einem diese Stapel erst sehr kurzfristig, weil sie so beschäftigt ist und hält es für selbstverständlich, dass man damit einfach loslegen kann. Klärende Gespräche irgendeiner Art hält sie für überflüssig, und sagt dass man den Unterricht einfach irgendwie interessant machen soll/ Diskussionen und eigene Übungen einbringen soll. Dumm nur, wenn man sich das nicht vorher überlegen kann. Aber es funktioniert! Am ersten Tag war ich mit diesem System noch extrem verunsichert und habe eher meine Partner unterrichten lassen. Am zweiten Tag ging das aber nicht mehr, da musste ich 2 Unterrichtseinheiten komplett selber durchführen. Nach anfänglicher innerer Verzweiflung stellte ich fest, dass ich es irgendwie gut mache. Aber es war hart. An den folgenden Tagen habe ich wieder mit einem bis zwei Partnern zusammengearbeitet und der Redeanteil war meistens ausgeglichen. Ich bin von mal zu mal selbstsicherer und besser im improvisieren geworden. Es ist wirklich schade, dass gerade jetzt, wo ich endlich halbwegs in den Job reingekommen bin, ich schon wieder gehen muss. Die Arbeitsatmosphäre war auch sehr angenehm. Die Schüler sind durchschnittlich zwischen 18 und 25 Jahren alt und wirklich sehr freundlich und bemüht. Die anderen Lehrer, alle Volunteers in meinem Alter, kommen aus aller Welt und sind sehr gut drauf. Ich habe mich mit allen gut verstanden, aber mit den meisten nicht auf einer Wellenlänge gefühlt. Es sind doch sehr extrovertierte Leute und Plappermäuler. Das ist ok, es war trotzdem schön mit ihnen. Wir haben alle in einer Art WG in einem schönen Block abseits des touristischen Zentrums gewohnt. Um zum Zentrum zu gelangen, wo die ganzen Sehenswürdigkeiten der Stadt sind, musste ich ein Motorroller-Taxi nehmen. Sowas hasse ich eigentlich, weil die Fahrer das Ziel manchmal nicht verstehen oder man die Preise verhandeln muss, aber hier in der Stadt wird eine spezielle App von den Einheimischen genutzt, die alles erleichtert. Dort trägt man den Zielort auf einer Karte ein und der Preis wird automatisch kalkuliert und ist dann auch viel billiger. Ich habe mich richtig modern gefühlt, diese App zu nutzen, aber es hat leider auch nicht immer geklappt und ich musste auf die altmodische, überteuerte Methode zurückgreifen. Naja, aber es ist irgendwie schon ziemlich cool, auf dem Rücksitz eines Motorrollers durch Ho-Chi-Minh-Stadt zu düsen.
Ich habe an 3 Tagen einen Ausflug weiter weg gemacht. Am ersten Tag habe ich mich mit meinen lieben Freunden aus Mui Ne wiedergetroffen (mit denen ich im letzten Eintrag auf einem Foto bin). Wir haben 3 (!) Stunden lang das riesige Kriegsmuseum besucht, das teilweise wirklich heftig und verstörend war. Danach liefen wir draußen in der Stadt herum, dummerweise hat es geregnet und meine Wunde ist zum dritten Mal geplatzt, weil die Haut aufgeweicht ist und sich am Verband rieb. (Die obligatorische Plastiktüte als Schutz hat komplett versagt). Das hat mir dermaßen die Laune verdorben, dass ich heulen wollte und aufgehört habe, mit meinen Freunden zu sprechen (worüber ich mich im Nachhinein auch ärgere). Ich hatte gerade Hoffnung geschöpft, dass der ganze Spuk mit der Wunde ein Ende hat. Aber aller guten Dinge sind 3 oder so. Wir waren dann noch gemeinsam essen und ich habe mich recht fix verabschiedet. Alles in allem war das kein guter Tag für mich, aber naja... so ist das nunmal. Immerhin scheint sich noch keine neue Infektion anzubahnen. Einen anderen Ausflug habe ich bei gutem Wetter zum Chinatown der Stadt gemacht. Das war sehr interessant und ich hatte wieder gute Laune. Ich habe einen großen Gebäudekomplex mit einem chinesischen Markt Kreuz und quer durchkämmt und hatte meine Freude daran. Aus irgendeinem Grund wollte mir aber keiner Flip-Flops verkaufen. Egal. Danach lief ich durch die Straßen und habe wirklich viele chinesische Tempel gesehen. Teilweise haben diese Gänsehaut bei mir erzeugt, mit diesen majestätischen Statuen und Verzierungen und dem ganzen Rauch in der Luft, erzeugt von den hunderten von Räucherstäbchen. Den letzten Ausflug habe ich vorgestern nochmal ins Zentrum gemacht und so ziemlich alles gesehen, was der durchschnittliche Tourist so gesehen haben muss. Das beste war der Wiedervereinigungs-Palast, der sehr wichtig für die vietnamesische Kriegsgeschichte ist.
Der Vollständigkeit halber muss ich noch erwähnen, dass ich an meinem letzten Tag in Mui Ne einen ziemlich coolen Ausflug mit anderen Touristen zusammen gebucht habe. Ich habe die sogenannten roten und weißen Sanddünen gesehen, die eher weit außerhalb vom Ort liegen. Die weißen Sanddünen waren einfach atemberaubend; ich habe mich gefühlt, wie in der Wüste. Die roten Sanddünen waren weniger spektakulär, aber auch sehr sehenswert. Seht euch einfach die Fotos an.
So, das war also mein Monat in Vietnam. Ich hatte gute und schlechte Zeiten und trage eine echte vietnamesische Kriegsverletzung von der Klinik davon :P Alles in allem finde ich, dass es ein sehr schönes Land ist. Die ganze Strenge und Touristen-Verachtung, die ich im Norden erlebt habe, hat zum Süden hin deutlich abgenommen. Hier gibt es auch keine Rassentrennung im Bus mehr. Ich habe viele überaus freundliche und hilfsbereite Menschen getroffen. Die Menschen, die einen nur ausnehmen wollen, sind zwar überall vertreten, doch ich habe das Gefühl, das wahre Vietnam darunter kennengelernt zu haben. Besonders in meiner Zeit in der Schule. Da war ich wieder sehr nah an den Einheimischen dran und habe einiges über ihre Kultur gelernt. Jetzt bin ich gespannt auf Kambodscha, das wird wieder eine ganz andere Nummer. Wahrscheinlich so wie Laos. Vietnam ist vergleichsweise sehr modern, sicher und organisiert. Das hat mir ein gutes Gefühl gegeben. Jetzt wird alles wohl wieder etwas abenteuerlicher... ich habe keine Lust, noch großartig viele Orte zu sehen und will es ruhig angehen lassen. Ich werde mich darum bemühen, eine Arbeit zu finden, bei der ich vielleicht 2 Wochen bleiben kann. Dem Arbeiten gewinne ich einfach viel mehr ab als dem Tourist sein. Verrückt, oder?
Drückt mir die Daumen, dass ich gesund bleibe und ohne größere Schwierigkeiten durchs Land komme. Ich hoffe es sehr, denn ich gebe zu, ich habe etwas Bammel.

Fotos:

Unterwegs zu den weißen Sanddünen
Strand nahe Mui Ne (kurzer Zwischenstopp auf der Tour)
Hunderte solcher Boote schwammen dort im Meer
Die weißen Sanddünen
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Unterwegs zu den roten Sanddünen
Die roten Sanddünen
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...Sonnenuntergang...
Ankunft in Ho-Chi-Minh-Stadt
Vor dem Kriegsmuseum
Zentrum
Unser Wohnblock
Mein Arbeitsweg (Rush hour)
Im Chinatown
Der Chinesen-Markt
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...der Markt von außen
Straßenmarkt im Chinatown
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Chinesischer Tempel
Altar im Inneren
Chinatown
In einem Tempel: Die Plastikteller wirken leicht fehl am Platz
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So, das war das Chinatown.
Wiedervereinigungs-Palast
Drinnen
Drinnen... es gab Dutzende solcher pompösen Räume
Aussicht vom Balkon
Voll cool: Der Kommunikations-Bunker für die Kriegsangelegenheiten
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Bett des Präsidenten im Bunker
Ein typisches Plakat
Die "Notre-Dame-Kathedrale" im Zentrum
Gegenüber der Kathedrale
Das berühmte Postamt
...von innen 
Im Herzen der Stadt
Oper
Ich und Ho Chi Minh
Total modern
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Die Markthalle im Zentrum. Dort hatte ich das bisher krasseste Erlebnis mit einer Verkäuferin. Ich habe nach dem Preis für ein Paar Flip-Flops gefragt und er war völlig überteuert. Ich wollte weitergehen, doch die alte Dame packte mich fest am Arm und zerrte mich zurück. Wir gerieten ins Rangeln, ich konnte mich losreißen und die Frau haute mich nochmal ordentlich mit dem Paar Flip-Flops. Als ich sie loswar, musste ich lachen. Stellt euch sowas mal in Deutschland vor... undenkbar!
Unterricht in Kleingruppen (ich bin hinten)
Rollenspiel mit den Schülern (ich sitze unten links)
Der kleine Klassenraum nochmal leer. Der etwas größere sieht ähnlich aus. Keine Fenster, nicht sehr gemütlich.
Yaaay ich und die Leiterin der Schule (links neben mir), zwei Kids die dort immer rumwuselten und eine weitere Lehrerin (unten)

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