Meine erste Woche als Englisch-Lehrerin ist nun herum. Genau genommen befindet sich die Schule nicht in Battambang, sondern in einem armen Dorf namens Wattamim etwa 10 Minuten Fahrt außerhalb der Stadt. Hier ist es sehr ländlich, die Hütten sind sehr einfach gebaut (überwiegend aus Holz, Bambus und Wellblech), Pflanzen, Erde und Dreck dominieren das Bild und ich komme mir wieder vor, wie in der Pampa. Aber die Stadt ist ja nicht weit weg. Die Schule, in der ich arbeite, trägt den Namen "Association for knowledge development" - kurz AKD. Es ist eine Schule, die unterprivilegierten Kindern und Jugendlichen kostenlosen Englisch-Unterricht anbietet. Englisch ist der Schlüssel dazu, dass sie eines Tages besser bezahlte Jobs kriegen können. Es kommen etwa 500 Schüler hierher, im Alter von 5 bis 21 Jahren. Unter den älteren Schülern sind auch Mönche. Die Schule läuft komplett auf Spendenbasis und funktioniert nur dadurch, dass freiwillige Helfer als Lehrer arbeiten und zusätzlich 5 Dollar pro Tag draufzahlen (dafür gibt es aber Unterkunft und Essen). Ab Juli werden keine Spenden mehr einkommen und deswegen befindet sich die Schule in einer finanziell sehr kritischen Situation. Falls ihr für die AKD spenden wollt, könnt ihr das hier tun: https://akdproject.com/
Ich bin beeindruckt von dieser Organisation. Der Schulleiter Kamnat ist ein extrem freundlicher, selbstloser und großherziger Mensch und er gibt alles dafür, dass die Schule läuft und die Freiwilligen sich wohl fühlen. Er stellt alle Räume seines Hauses für die Freiwilligen zur Verfügung, während er selbst mit seiner Familie (Ehefrau, Schwiegermutter und 3 kleine Kinder) draußen in einer halboffenen Wellblech-Hütte schläft. Er fährt seine Freiwilligen für jeden Bedarf mit seinem Tuk Tuk herum und holt sie wieder ab oder wartet mit einer Engelsgeduld vor Ort. Sogar noch spät nachts um 2. Dazu später mehr. Kamnat ist wie ein guter Hirte, der liebevoll über alle seine Schäfchen wacht. Und was er hier auf die Beine gestellt hat, ist einfach großartig. Was für ein inspirierender Mensch.
Die Arbeit gefällt mir gut. Ich dachte, ich sei zu 5 Stunden täglich verpflichtet, aber vor Ort sagte man mir dann, ich müsse nur 2 machen und noch mehr nur, wenn ich will. Gerade haben wir aber derartig viele Freiwillige, dass ich mich selten mehr nützlich machen kann als für die 2 Stunden. Mir wurde die Verantwortung für das Unterrichten einer Klasse von 13 bis 15 Uhr übertragen. Die etwa 20 Schüler sind zwischen 5 und 12 Jahren alt und extrem lieblich, wie auch anstrengend. Sie sind sehr unkonzentriert und bauen während der Stunden viel Mist. Durchschnittlich die Hälfte der Klasse hört mir nicht zu, die andere Hälfte, die es versucht, versteht mich nicht. Die Schüler sind im Englischen auf dem absoluten Beginner-Niveau. Auch wenn ich einfachste Worte benutze und Fragen stelle, verstehen sie mich nicht. Und selbst wenn mein kambodschanischer Assistenzlehrer Wort für Wort übersetzt, sind die Kinder nicht in der Lage, zu antworten. Sie sind lediglich gut darin, mir etwas nachzusagen oder vorzulesen, aber wenn es um inhaltliches Verständnis geht, versagen sie komplett. Ich bin etwas verzweifelt deswegen, weil ich nicht weiß, wie ich den Unterricht noch einfacher gestalten kann. Und ich bin frustriert, dass die Schüler sich nicht einmal Mühe geben, etwas zu lernen. Möglicherweise habe ich die schwierigste Klasse der Schule erwischt... und trotzdem mag ich den Job! Die Kinder sind supersüß und superfreundlich (trotz des ganzen Mists den sie bauen), es ist spannend und es ist eine Herausforderung, den Unterricht irgendwie sinnvoll zu Ende zu bringen. An meinem ersten Tag dachte ich, dass ich die Assistenzlehrerin sein würde und der Hauptlehrer einen Plan hat, aber weit gefehlt. An meinem ersten Tag wurde ich vom Direktor kurzerhand allein vor der Klasse platziert mit der Anweisung "just teach" (unterrichte einfach). Der eigentliche Hauptlehrer kam nämlich an dem Tag 20 Minuten zu spät. Ich improvisierte mich irgendwie durch und war erleichtert, als der Lehrer dann kam. Doch als ich ihn fragte, was ich/ wir nun tun sollen, hatte er überhaupt keinen Plan und fragte mich, was ich machen will. Ich sagte ich weiß nicht, er sagte dann ich soll einfach irgendwas machen. "Just teach". Also versuchte ich den Kindern die simple Frage zu stellen, was sie heute vor der Schule gemacht haben, was sich als Herkulesaufgabe erwies. In der Pause zeigte mir der Lehrer dann das Arbeitsbuch der Klasse und wie weit sie darin sind. Seitdem halte ich mich stark an das Arbeitsbuch und gehe Seite für Seite mit den Schülern durch. Der Lehrer setzt sich für gewöhnlich in die hinterste Reihe der Klasse und lässt mich machen. Nur wenn ich seine Übersetzungen brauche, kommt er nach vorne und übersetzt etwas (was ja aber nicht immer hilft). Oft hört er gar nicht zu und so muss ich ihm alles von vorne erklären, bevor er etwas übersetzt. Und wenn er selbst etwas auf Englisch zu den Kindern sagt, kommen mir innerlich fast die Tränen, weil seine Aussprache und Grammatik so schlecht sind. Zum Beispiel sagt er "Are you understand?". Zwischen uns gibt es auch sprachlich viele Missverständnisse. Ich muss leider sagen, dass er eine absolut inkompetente Flachpfeife und als Englisch-Lehrer völlig untauglich ist. Da wundert es mich auch wenig, dass die Klasse so schlecht ist. So wie ich bin, hatte ich schon große reformpädagogische Visionen, wie man den Unterricht verbessern kann. Aber mit meinen Mitteln und vor allem meiner begrenzten Zeit hier kann ich nicht viel verändern. Ich tu einfach mein bestes, kämpfe mich mit der Klasse ab und hoffe, dass nach mir ein weiterer Freiwilliger die Klasse übernimmt, sodass die Kinder nicht auf diese Flachpfeife von Lehrer angewiesen sind... sorry für den Lehrer. Aber das muss ich einfach so sagen.
Als ich hier ankam, waren außer mir noch 2 weitere Freiwillige im Haus. Es gibt noch mehr Freiwillige, die aber von außerhalb kommen und mit denen ich wenig zu tun habe. Ein paar Tage später kam noch ein Junge aus Deutschland hinzu. Wir haben uns alle gut verstanden (Eine ist heute abgereist) bzw. tun es immer noch und ich fand die Atmosphäre sehr angenehm. 2 Vormittage haben wir gemeinsam bei einem Swimmingpool verbracht, zu dem Kamnat uns gefahren hat. Seit vorgestern finde ich es aber weniger angenehm, seitdem 3 Leute aus Frankreich angereist sind. Sie sind nett, man kommt gut miteinander aus blabla, aber es sind mir jetzt einfach zu viele Leute im Haus und ich finde es unchillig. Ich teile mir mein kleines Zimmer jetzt mit 2 Französinnen und vermisse wieder schwerlich die Privatsphäre. Aber sowas ist eben Luxus. Wir alle waren vorgestern abend in einer Bar und um Mitternacht kam Kamnat mit seim Tuk Tuk, um uns abzuholen. Die Franzosen haben aber kurz vorher beschlossen, in einen Club feiern zu gehen und rissen alle mit, bis auf mich. Ich hatte schlichtweg keine Lust und ich hasse Gruppenzwang. Ich war dann die Einzige, die sich von Kamnat hat nach Hause bringen lassen, später um 2 Uhr morgens musste er aber nochmal für die anderen raus, weil sie nicht wussten wie sie nach Hause kommen sollten. Das hat mir für Kamnat sehr Leid getan. Er scheint aber jeden Scheiß ohne böse zu werden mitzumachen. Gestern hat er uns auf eine große Tour durch ein paar Sehenswürdigkeiten mitgenommen, weil die Schule samstags und sonntags zu hat. Wir sind auf der Bambusbahn gefahren, haben Tempel, Ruinen und Höhlen besucht und Fledermaus-Schwärme fliegen gesehen. Es war ein schöner Tag. Heute war weniger los, weil Kamnat einen der Franzosen 2 mal zum Krankenhaus fahren musste wegen einer Unersuchung. Später haben wir aber eine kleine Tour zu noch einer kleinen Ruinen-Anlage gemacht.
Am Anfang meines Aufenthaltes hier dachte ich nicht, dass ich 2 Wochen bleiben will. Aus dem Grund nämlich, dass ich außer der 2 Stunden Arbeit täglich nichts Gescheites zu tun hatte und mich etwas eingesperrt in der Schule fühlte (zwar kann ich auch mit dem Fahrrad raus, will es aber wegen der Hitze nicht). Ich habe mich gelangweilt. Das hat sich aber mittlerweile verändert. Ich hatte die Idee, mich ein wenig um die Dekoration der Klassenräume zu kümmern, weil die doch sehr spärlich ist. Ursprünglich wollte ich eine Wand mit einem hübschen Motiv bemalen, aber die Schule hat dafür schlichtweg nicht die Materialien oder das Geld, um welche zu besorgen. Ich habe mein eigenes Geld dafür ausgegeben, um minimalste Materialien zur Dekoration zu kaufen, nämlich Papier und Wachsmalkreide. Des weiteren benutze ich Materialien aus meinem Rucksack wie meine Wäscheleine oder Zahnseide. Daraus bastel ich in meiner Freizeit diverse Sachen und was von den Materialien übrig bleibt, schenke ich bald Kamnats Kindern. Wenn ich gerade nicht unterrichte oder bastel, genieße ich auch das süße Nichtstun. Es fühlt sich richtig für mich an und ich denke jetzt doch, dass ich insgesamt 2 Wochen bleiben werde. Sicherlich ist das hier eine wichtige und unvergessliche Erfahrung in meinem Leben. In einem so armen Dorf unter wirklich einfachen Lebensbedingungen eine solche Arbeit tun zu dürfen, davon habe ich irgendwie immer geträumt, und jetzt weiß ich wie es sich anfühlt. Und ich fühle mich kompetent darin, das stärkt mein Selbstvertrauen. Ich kann wirklich gut ohne Luxus leben und habe mich schon längst an Dreck, Käfer und fragwürdiges Essen (wie auch Magenprobleme) gewöhnt. Die asiatische Lebensweise ist mir vertraut. Das Einzige, woran ich mich nie und nimmer gewöhnen kann, ist die unerträgliche Hitze. Aber was für ein tolles Gefühl das ist, dass ich erlebe, dass ich das "kann". Ich kann wirklich ohne Probleme so leben. Trotzdem fehlt mir Deutschland wahnsinnig. Mittlerweile ist mir klar, in was für einem unfassbaren Luxus ich gelebt habe, in vieler Hinsicht. Ich freue mich, dass ich hier ein klitzekleines bisschen zum "Luxus" der Einheimischen beitragen kann.
Bald erzähle ich euch von meiner zweiten Woche bei der AKD. Bis dann!
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